"Ich aber werde dunkel sein..." Leben und Werk des Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

Im Herbst des Jahres 1774 erschien Goethes Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers" in der Weygandschen Buchhandlung in Leipzig. Die Veröffentlichung des autobiographischen Buches datiert den Beginn der modernen deutschen Prosa. Der Dichter, der mit diesem Werk schreibend seine unglückliche Liebe zu Charlotte Buff zu überwinden suchte, schuf mit dem "Werther" einen neuen Figurentypus, der zur Indentifikationsfigur für viele Literaten und Rezipienten der "Sturm-und-Drang-Zeit" wurde. Diese Begeisterung ging so weit, daß sich junge Männer nach Werther-Art kleideten: dunkelblauer Frack mit Messingknöpfen, gelbe Weste, Lederbeinkleider, Stulpenstiefel. Aber auch kritische Stimmen meldeten sich zu Wort. Es entbrannte eine heftige Debatte, ob der "Werther" eine euphemistische Verteidigung des Selbstmords sei.

Zeitgenössische Werther-Darstellung
Zeitgenössische Werther-Darstellung
  Jabob Lenz, der das Buch seines Freundes über alle Maßen schätzte und diesen als "Bruder" und "zweites Ich" verehrte, verteidigte mit Hingabe den Goetheschen Roman. Wichtigstes Zeugnis dafür sind seine "Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers". Sie dürften Anfang 1775 niedergeschrieben worden sein, nach dem Erscheinen von Friedrich Nicolais Parodie "Die Freuden des jungen Werthers", gegen die Lenz entschieden polemisierte. Die Form des Literaturbriefes als Literaturkritik folgte dem Geschmack der Zeit.

Lenz wollte diese Briefe nicht ohne das Einverständnis Goethes veröffentlichen und schickte ihm das Manuskript zu. Goethe leitete es an Friedrich Heinrich Jacobi weiter. Dieser riet von einer Veröffentlichung ab und so unterblieb der Druck. Lenz beschränkte sich seinerseits darauf, die "Briefe" in der Straßburger Gesellschaft am 1. März 1776 vorzutragen.

Das Manuskript galt lange Zeit als verschollen. 1918 wurde es in Münster wieder aufgefunden. Es handelt sich um insgesamt zehn Briefe an einen fiktiven Adressaten. Lenz geht in ihnen weit über die Verteidigung des "Werther" und seines Verfassers hinaus. Aus der Ablehnung einer von der Aufklärung favorisierten didaktischen Literaturkonzeption entwickelte er eine den "Sturm-und-Drang-Idealen" adäquate Kunstkonzeption.

Die Hoffnung, diese Ideale im Ansatz verwirklichen zu können, war ein Grund von Lenz, 1776 nach Weimar zu gehen. Hier entstand in Berka ein weiteres Zeugnis dafür, wie wichtig Goethes Buch für Lenzens Schaffen war: Der Fragment gebliebene und erstmals von Schiller publizierte Briefroman "Der Waldbruder, ein Pendant zu Werthers Leiden".


[Start] [Übersicht] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22]
[Literatur] [Links] [Impressum]

zur Startseite