"Ich aber werde dunkel sein..." Leben und Werk des Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

Mitte April 1776, als Lenz erst einige Tage in Weimar war, erreichte ihn ein Brief aus der mit Weimar durchaus vergleichbaren Residenzstadt Dessau. Absender war der Philanthropist Simon, der den Verfasser des "Hofmeister" bereits aus Straßburg kannte und offenkundig um dessen pädagogische Fähigkeiten wußte.

Lenz erhielt ein lukratives Angebot, welches ihm in Dessau für Jahre soziale Sicherheit geboten hätte. Lenz jedoch hatte weitreichende poetische und sozialreformerische Pläne, die er in Goethes Nähe glaubte realisieren zu können.

Die fragmentarisch überlieferte Briefantwort vom April 1776 (von der wir nicht wissen, ob sie jemals in Dessau eintraf) sowie sein Gedicht "Aretin am Pfahl gebunden mit zerfleischtem Rücken" bezeugen, daß Lenz entschiedene Zweifel am philantropischen Bildungsansatz hatte. Er kritisierte, daß die Erzieher lediglich nach ihrem Bilde von Vollkommenheit wirken und das wirklich Menschliche in seiner Einheit von Tugend und Laster zu kurz kommt. In besagtem Gedicht verspottete Lenz den strengen Tagesablauf, wie ihn sich die "hochwohlweisen Herrn Philanthropins" erdacht haben und befürchtete, daß bei diesen pädagosischen Bemühungen "Drahtmaschinen" oder "Püppchen" "mit schönfrisiertem Haar wo nichts darunter sitzt" herauskämen.

Siegel des 1774 in Dessau gegründeten Philanthropinums
 
Modelle einiger Turngeräte, die am Philantropinum in Dessau entwickelt und genutzt wurden

Mein Teurer, Lieber Lenz! Unser Philantropin braucht itzt unumgänglich notwendig einen besonderen Mann als teutschen Schriftsteller. Da wir Ihre Talente und Ihr Herz kennen, glauben wir nirgends besser, als an Sie uns wenden zu können. Helfen Sie mit ein Institut befördern, das das Wohl der Menschheit zum einzigen Gegenstand hat.

Die Bedingungen sind: Mit uns glücklich zu leben, Ihre Kräfte zum allgemeinen Wohl mit den unsrigen zu vereinigen, und alle Vorteile mit uns zu teilen, die wir genießen. Die Reisekosten sind frei, versuchen Sie ein bis zwei Jahre bei uns zu sein, sollten Sie alsdenn (wofür mir nicht bange ist) mit Ihrem Aufenthalt allhier nicht zufrieden sein, so sollen Sie kostfrei hingeliefert werden, wohin Sie wollen. Alle Bedingungen, die Sie noch machen wollen, - da Sie keine andere als billige machen können, sollen erfüllt werden.

Lassen Sie uns so bald als möglich wissen, ob und wann Sie kommen wollen. Werden Sie mir ein Vater des Philanthropins, lieben Sie dasselbe, und denjenigen, der im Namen desselben schreibt
Ihren Simon Professor am Philanthropin zu Dessau.
Brief des Philantrophisten Simon an Lenz vom 4. April 1776


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