"Ich aber werde dunkel sein..." Leben und Werk des Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

"...er sprach, er sang, er rezitierte Stellen aus Shakespeare, er griff nach allem..."
(aus Georg Büchners "Lenz")

Wie für so viele Zeitgenossen übte das Werk William Shakespeares (1546-1616) auf J.M.R. Lenz eine einzigartige Faszination aus. Shakespeare war der Kultautor der Stürmer und Dränger.

Goethe: "Und so wirkte in unserer Straßburger Sozietät Shakespeare, übersetzt und im Orginal, stückweise und im ganzen,... dergestalt, daß wie man bibelfeste Männer hat, wir uns nach und nach in Shakespeare befestigten." (aus "Dichtung und Wahrheit", 11. Buch)

Die Unzufriedenheit mit den damaligen Shakespeare-Übersetzungen - manifestiert u.a. in der Auseinandersetzung mit Wieland - führte auch bei Lenz zur verstärkten Hinwendung zum Orginal. So verwundert es nicht, daß er sich zunächst vor allen diesem Bereich zuwendet: 1774 erschien "Amor vincit omnia - Verlorene Liebesmüh", 1776 Auszüge aus "Coriolan", kurz darauf Szenenfragmente des "Pericles".

In seiner Schrift "Über die Veränderung des Theaters im Shakespaer" (1775) kritisiert Lenz, sich auf Shakespeare berufend, vor allem die oft als Dogma gehandhabten drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung. Von der permanenten, intensiven und produktiv-kritischen Beschäftigung mit Shakespeare zeugen zudem zahlreiche Anspielungen, Erwähnungen, Verweise und Zitate an vielen Stellen des Lenzschen Gesamtwerks.

Wichtig für Lenz' Shakespeareverständnis müssen auch Lichtenbergs "Briefe aus England" gewesen sein, die eine wichtige Brücke zwischen deutscher und englischer Kultur und Literatur schlugen. Insbesondere die in "Shakespeares Geist - ein Monolog" aufgegriffenene Spielsituation - Shakespeares Auftirtt mit Bezug zum damaligen Top-Darsteller Garrik - deutet auf Lenz' tiefe Bewunderung der ausgewogenen Kombination von intensiven Gefühlen und nachvollziehbarem Realismus in der theaterpraktischen englischen Shakespeare-Rezeption hin. Seine eigenen Versuche gingen genau in diese Richtung: die Bühne selbst sollte in Deutschland den Weg für die wahre Aufnahme des Shakespeareschen Werkes bilden.

William Shakespeare und dessen Stücke sollten nicht nur für den Dramatiker, sondern auch für den "Lehrer" J.M.R. Lenz äußerst wichtig werden: er sah nämlich die Chance, seine durchaus seltenen Einkünfte mit Englischstunden zu ergänzen. Dabei wurden die Shakespeareschen Dramen wie ein Lehrbuch genutzt.

Lenz' wichtigste "Schülerin" war Frau von Stein, die er in Weimar und Kochberg im September/Oktober 1776 unterrichtete. Vermutlich hoffte er auf weitere Empfehlungen, selbst die Weimarer Herzoginnen hatten Interesse an seinem Unterricht gezeigt. Goethe wiederum wird wohl nicht sehr begeistert gewesen sein, als ihm Lenz aus Kochberg schrieb: "Mit dem Englischen geht's vortrefflich. Die Frau von Stein findt meine Methode besser als die Deinige."
  Titelblatt der 'Anmerkungen übers Theater' von Lenz
Titelblatt der "Anmerkungen übers Theater" von Lenz




Man stürzte sich in die Lektüre - daher die große Wortschatzkenntnis - und ließ die Grammatik erst einmal außer acht. Lenz verließ sich auf das Sprachgefühl und die eigene Vorstellungskraft, auf das Nachempfinden des englischen Barden.

"... soll sie a force de lire unvermerkt gewohnen, wie man seine Muttersprache lernt." (Lenz an Goehte)


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