"Ich aber werde dunkel sein..." Leben und Werk des Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

Die Ausstellung "Ich aber werde dunkel sein" wurde 1996 von Dr. Ulrich Kaufmann unter Mitarbeit von Kai Agthe konzipiert und an der Universität Jena realisiert.

Die Adaption für das Internet besorgten Thomas Schobert (Programmierung) und Rowena Bittner (Redaktion).
  Bei Fragen, Ergänzungen, Kommentaren:

[E-Mail an Thomas Schobert]

Auch wenn Sie die Ausstellung einladen wollen oder Kontakt zu Herrn Dr. Kaufmann wünschen, können Sie diese E-Mail-Adresse nutzen.


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Aus dem Buch zur Ausstellung Jakob Michael Reinhold Lenz:

Literaturausstellungen würdigen Dichterjubiläen. Diese verlangen gewöhnlich das in Marmor gemeißelte Wort des mit tradierter Autorität gefällten Urteils.

Und Lenz? "Ein vorübergehendes Meteor..."? "Zog nur augenblicklich über den Horizont der deutschen Literatur hin und verschwand plötzlich, ohne im Leben eine Spur zurückzulassen..."? Lenz, der ruhelose "Landläuffer" durch Europas Mitte. Königsberg drei Jahre. Straßburg fünf Jahre. Weimar acht Monate. Emmendingen, Zürich, Basel, Winterthur und wieder Emnmendingen, Hartingen, um Kassel, Göttingen, Nordhausen, Erfurt, Frankfurt, Braunschweig, Lübeck. Riga, St. Petersburg und Moskau. Das Grab unbekannt. "... von wenigen betrauert, von keinem vermißt." - Keine Spur.

Und die ihm doch nachforschten? Georg Friedrich Dumpf, der in Jena Medizin studiert hatte - seine handschriftliche Biographie liegt noch immer fast ungelesen unter den Lenziana der Krakówer Universitätsbibliothek. Jegor von Sivers, der unermüdliche Sammler, Maltzahn, Falck, Gruppe, keinem gelingt das Zusammenfügen der Bruchstücke zu einer Lebensgeschichte.

Der kongeniale Dramatiker findet den Zugang zum verschütteten poetischen und poetologischen Potential des Dichters. Im Umfeld der Goethefeierlichkeiten 1949 beschäftigt sich Brecht mit Lenz. Die Inszenierung einer eigenen "Hofmeister"-Bearbeitung holt den vermeintlich vergessenen Dramatiker zurück auf die deutsche Theaterbühne. Nicht als Vexierbild des großen Klassikers aus Weimar, sondern als notwendige Ergänzung, als Entwurf des ganz anderen gewinnt Lenz' Schaffen seine eigentliche Bedeutung zurück.

Spätestens mit den Editionen und den internationalen Kolloquien, die durch Lenz' 200. Todestag 1992 angeregt wurden, hat auch die Wissenschaft den Gegenstand in seiner Zerissenheit und Widersprüchlichkeit angenommen.
  Erneut steht ein Goethe-Jubiläum ins Haus. Europa schickt sich an, in Weimar, seiner Kulturhauptstadt 1999, das Fest würdig zu begehen. Und immer noch klopft der ruhelose Lenz ans Tor: "Ein Kranich lahm, zugleich Poet / Auf einem Bein Erlaubnis fleht / Sein Häuptlein dem der Witz geronnen / An Eurer Durchlaucht aufzusonnen. / Es kämen doch von Erd' und Meer / Itzt überall Zugvögel her / Auch woll' er keiner Seele schaden / Und bäte sich nur aus zu Gnaden / Ihn nicht in das Geschütz zu laden."

Unsere Ausstellung und unser Buch wollen das Leben und das Werk von Jakob Michael Reinhold Lenz würdigen. Weimar, sein "verlorenes Paradies", steht im Zentrum unserer Betrachtung. Lenz' Vertreibung leitet nicht nur seine eigene schwere psychische Krise ein, sie hinterläßt auch im "Kulturraum Weimar" eine Lücke. Das Verschweigen, die Halbwahrheiten und Legendenbildungen können den Blick nur verstellen und einengen.

So gilt es, in akribischer Arbeit die Quellen freizulegen. Dabei sollten endlich auch die letzten erhalten gebliebenen Verdikte (man sehe nur die immer noch herrschenden Vorurteile über seine Moskauer Schriften) fallen. Deshalb freuen wir uns besonders, einige Texte und Zeichnungen von Lenz sowie Dokumente zu seiner Lebens-, Rezeptions- und Wirkungsgeschichte erstmals veröffentlichen und zeigen zu können.

In diesem Zusammenhang möchten wir noch einmal den vielen engagierten Studenten danken, die uns bei der mühevollen Arbeit in den Archiven und Handschriftensammlungen behilflich waren.

Das Leben unstet, das Werk unvollendet, die Rezeption fragmentarisch. "Ich aber werde dunkel sein...". Lenz - welch eine Faszination.

Aus: Ulrich Kaufmann, Wolfgang Albrecht, Helmut Stadeler (Hrsg.): "'Ich aber werde dunkel sein'. Ein Buch zur Ausstellung Jakob Michael Reinhold Lenz", Jena 1996.


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