"Ich aber werde dunkel sein..." Leben und Werk des Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

Viele Straßburger Studenten und Intellektuelle sammelten sich um den Aktuarius Johann Daniel Salzmann, der seine Wohnung für geistige Dispute zur Verfügung stellte und die jungen Männer mit viel Güte zu literarischen Aktivitäten anregte. Der Freundeskreis festigte sich zu einer lockeren Vereinigung, die bis 1773 den Namen "Société de Philosophie et de belles Lettres" trug. Schon 1771 wurde Lenz in seiner Abwesenheit zum Ehrenmitglied der "Société" gewählt.

Lenz hat für die Entwicklung seines theologisch-moralischen Denkens von Salzmann wichtige Anstöße bekommen, auch wenn die Meinungsunterschiede zwischen beiden von Jahr zu Jahr zunahmen. Über seinen Förderer lernte Lenz Goethe, Heinrich Leopold Wagner, Jung-Schilling und seinen in der Folgezeit "edelsten" Freund Johann Gottfried Röderer kennen. Unter den Mitgliedern bildeten die Juristen das stärkste Kontingent, danach kamen die Gelehrten mit theologischer bzw. philosophischer Ausbildung, die entweder predigten oder am Straßburger Gymnasium unterrichteten.

Die meisten in der "Société" gehaltenen Vorträge bewegten sich im Gleis moralphilosphischer Betrachtungen auf der Basis der aufgeklärten Theologie. Der Epoche angemessen waren die Wege zur Glückseligkeit die zentralen Gegenstände, man diskutierte über Tugend und Laster, Neigungen und Leidenschaften. Hin und wieder wurden auch literarisch-ästhetische Beiträge, wie zum Beispiel Lenz' "Anmerkungen übers Theater" vorgetragen, oder eigene literarische Werke vorgestellt. Lenz' literarisches und philosphisches Engagement stieß in der "Société" auf wenig Resonanz.

Nach Goethes Fortgang geriet Lenz in den geistigen Mittelpunkt der "Société". Im Oktober 1775 wurde auf dem lockeren Fundament der "Société" die Straßburger "Deutsche Gesellschaft" gegründet, deren Ziel es war, das Nationalbewußtsein durch die Beförderung der deutschen Sprache zu stärken. Die Vertretung dieses Programms auf französichem Boden war nicht nur eine literarische, sondern auch eine nicht zu übersehende politische Tat. Der zum Sekretär gewählte Lenz dynamisierte nach eigenen Vorstellungen die Arbeit der Gesellschaft. Johann Daniel Salzmann hat sich in das Mitgliederverzeichnis des Vereins nicht eingetragen. Er blieb ein passiver und vermutlich skeptischer Beobachter des neuen Aufschwungs. Lenz bemühte sich in den Sitzungen vor allem um literaische Besprechungen. Er vergrößerte die Mitgliedschaft über die lokalen Grenzen hinaus, nahm auch korrespondierende Mitglieder wie Johann Caspar Lavater und Georg Schlosser auf. Die Gesellschaft fand gute Verbindugen zur Straßburger deutschsprachigen Zeitschrift "Der Bürgerfreund", in der sie viele Beiträge veröffentlichte.

Der Widerstand der lokalen Zensur und der beschränkte Wirkungsraum entmutigte Lenz immer mehr, worauf er stärker nach Auswegen aus der provinziellen Enge suchte. Als er im März 1776 Straßburg verließ, hofften die Gesellschaftsmitglieder auf seine baldige Rückkehr.
 
Das Mitgliederverzeichnis der Deutschen Gesellschaft
eingetragen am 8. Oktober 1775

Franz Joseph Armbruser Medizinstudent
Johann Lorentz Blessig geb. 1747, Lehrer am Straßburger Gymnasium, ab 1786 ord. Professor der Philosophie an der Straßburger Universität, gefeierter Kanzelredner, während der Revolution verhaftet
Johann Siegfried Breu Student der Jurisprudenz
Johann Friedrich Corvinus geb. 1751, Student der Philosophie, ab 1777 Student der Medizin
Friedrich Philipp Eisenberg Student der Jurisprudenz
Johann Michael Fries Student der Theologie
Philipp Jakob Greiner geb. 1752, Jurist
Isaac Haffner geb. 1751, Theologiestudent, ab 1788 ord. Professor der Theologie, 1793 mit Blessig verhaftet
Dorotheus Ludwig Christoph Student
Franz Joseph Krauss Jurist
Johannes Leypold geb. 1730, nach dem Studium der Theologie und Philosophie Lehrer am Straßburger Gymnasium, ab 1777 Ordinarius der Prima
J. Michael Reinhold Lenz geb. 1751, seit 1774 für das Studium der Theologie und der Jurisprudenz an der Straßburger Universität immatrikuliert
Philipp Jakob Lobstein geb. 1751, nach dem Studium der Philosophie und Theologie Lehrer am Straßburger Gymnasium
J.M. Majer Student der Jurisprudenz
Ch. Friedrich Michaelis geb. 1754, Student der Medizin, später Professor der Medizin in Gießen
Jakob Anton Mantz
Johann Michael Matthieu Student der Jurisprudenz, später Rat am Gerichtshof in Kolmar
Philipp Jakob Müller Professor der Logik und Metaphysik an der Straßburger Universität, ab 1778 Professor der Theologie
M.F. Wilhelm Müller Lehrer der Unterklassen, ab 1778 Latein-Lehrer
Ludwig Wilhelm Otto geb. 1754, Jurastudent, später diplomatische Laufbahn
Johann Michael Ott geb. 1752, Jurist, später diplomatischer Dienst in Wien, ab 1782 in Petersburg
L. Ramond de Carbonnieres geb. 1755, Studium der Jurisprudenz, Dramatiker, Geologe und Botaniker, in der Revolutionszeit verfolgt, später in den Grafenstand erhoben, Staatsrat und Präfekt, intimer Freund und Verehrer von Lenz
Johann Gottfried Röderer geb. 1749, nach dem Studium der Philosophie und Theologie Lehrer am Straßburger Gymnasium, während der Revolution verfolgt, ab 1783 Landpfarrer, Lenzens bester Freund aus der Straßburger Zeit
Louis von Schlemmer
Friedrich Rudolph Salzmann geb. 1749, Sohn von J.D. Salzmann, Student der Theologie und Jurisprudenz, später Erzieher und Herausgeber der "Straßburger Zeitung"
Johann Philipp Schönfeld Vize-Kapellmeister bei der Neuen Kirche
Christian Sigismund Spener
Jahannes von Türkheim geb. 1749, Studium der Jurisprudenz, Sohn eines Bankiers, 1789 Deputierter Straßburgs in der Nationalversammlung
Olaus Westmann Student der Philosophie
Heinrich Leopold Wagner geb. 1747, Studium der Jurisprudenz, Dichter, ab 1779 Advokat in Frankfurt a.M.


[Start] [Übersicht] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22]
[Literatur] [Links] [Impressum]

zur Startseite