"Ich aber werde dunkel sein..." Leben und Werk des Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

Nach der Weimarer "Eseley" begab sich Lenz nach Emmendingen im Breisgau zu Goethes Schwester Cornelia Schlosser. Er kannte sie bereits durch gemeinsame Besuche mit Goethe seit dem Frühjahr 1775. Mitte Dezember 1776 traf Lenz im Hause des Oberamtmanns Johann Georg Schlosser ein und blieb - mit kurzen Unterbrechungen - bis zum Sommer des folgenden Jahres.

Mehrere Dichtungen Lenzens sprechen von Cornelia Schlosser, seiner Muse "Urania", oder wurden durch sie angeregt: Der Prosatext "Moralische Bekehrungen eines Poeten ..." (1775) etwa oder das Gedicht "Petrarch". Lenz war als Pate zur Geburt der zweiten Tochter ausgesucht worden. Cornelias Tod im Kindbett am 8. Juni 1777 war für Lenz ein schwerer Schlag. Die schönen Verse "Willkommen kleine Bürgerin", die Lenz zur Geburt der Tochter Elisabeth geschrieben hatte, konnte Cornelia nicht mehr lesen. Jakob Lenz eilte von Zürich nach Emmendingen zurück, um seinem Freund und Gönner Schlosser Beistand zu leisten.

Schlosser gehörte zu jenen Menschen, die sich außerordentlich für den Dichter und Menschen Lenz engagierten. Er verteidigte Lenzens Komödie "Der neue Menoza" und brachte 1780 wohl auch Lenzens, jetzt wieder zugänglichen "Philosophischen Vorlesungen für empfindsame Seelen" heraus. In Emmendingen schrieb Lenz an seiner Erzählung "Der Landprediger". Mannheim, der Held des Prosatextes, trägt Züge Schlossers.

Die kleine Schrift "Das Hochburger Schloß" (1777), ein weiteres Zeugnis seiner Zwiesprache mit Shakespeare, entstand ebenfalls in Emmendingen.
  Cornelia Schlosser, Rötelzeichnung von J.L.E. Morgenstern
Cornelia Schlosser, Rötelzeichnung von J.L.E. Morgenstern

Johann Georg Schlosser, Stich von Prestel nach J. Becker
Johann Georg Schlosser, Stich von Prestel nach J. Becker
 
Goethes herrliche Schwester...
Lenz an Wagner 1776

Willkommen kleine Bürgerin
Im bunten Tal der Lügen!
Du gehst dahin, du Lächlerin!
Dich ewig zu betrügen

Was weinest du? die Welt ist rund
Und nichts darauf beständig.
Das Weinen nur ist ungesund
Und der Verlust notwendig.

Einst wirst du, kleine Lächlerin!
Mit süßerm Schmerze weinen
Wenn alle deinen treuen Sinn
Gott! zu verkennen scheinen.

Dann wirst du stehn auf deinem Wert
Und blicken, wie die Sonne
Von der ein jeder weg sich kehrt
Zu blind für ihre Wonne.

Bis daß der Adler kommen wird
Aus fürchterlichen Büschen,
Der Welten ohne Trost durchirrt -
Wie wirst du ihn erfrischen!
Gedicht von Lenz zur Geburt der Tocher von Cornelia Schlosser


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